24.06.2022, 09:00 Uhr

Die Barrieren in den Köpfen sind die Größten!

Ein Kommentar zum Statement des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig, Herrn Kristian Kirpal, auf MDR aktuell am 23. Juni 2022

Die Intentionen der UN-Behindertenrechtskonvention haben auch in Deutschland dazu geführt, den Behinderungsbegriff treffender zu definieren: Menschen werden nicht allein wegen einer körperlichen, geistigen, seelischen oder Sinnesbeeinträchtigung an einer gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft gehindert – auch einstellungs- und umweltbedingte Barrieren müssen hinzu kommen, um von einer Behinderung zu sprechen. Oder anders ausgedrückt: Niemand ist behindert, vielmehr wird man behindert.

  • Umweltbedingt, weil es an Barrierefreiheit mangelt. Der Freistaat Sachsen leistet seit Jahren Hervorragendes zum Abbau von Barrieren, zum Beispiel mit dem Förderprogramm „Lieblingsplätze“. In immer mehr Förderrichtlinien wird dieser Aspekt zur Voraussetzung, um Zuwendungen zu erhalten. Eine gesunde Entwicklung. Diskussionen um Förderprogramme verfolgt der Unterzeichner deshalb mit besonderer Aufmerksamkeit.
  • Einstellungsbedingt, weil Vorurteile bestehen, Rechte kleingeredet werden und es an Respekt mangelt. Das sind die Barrieren in den Köpfen.   

Dass 1,5 Milliarden Euro Fördermittel aus dem Kohlestrukturfonds eine Zweckbestimmung haben und auch nur einmal ausgegeben werden können ist klar – Ideen dazu existieren bereits mannigfach. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig, Kristian Kirpal, hält Medienberichten des MDR zufolge jedenfalls die Förderung von barrierefreien Rathäusern nicht für zielführend. Mir und Menschen, mit denen ich mich dazu ausgetauscht habe, sagt dieses Statement: Barrierefreiheit ist Luxus. Niemand käme auf die Idee, den Brandschutz oder die Standsicherheit von Rathäusern als Luxus zu deklarieren. Kitt für Barrieren in den Köpfen! Rathäuser stehen zudem für gelebte Demokratie, an der alle teilhaben sollen. Hier Barrieren bewusst zu dulden, verbietet sich von selbst.

Ein gutes Rezept gegen solche Barrieren hatte Richard von Weizsäcker in seiner Weihnachtsansprache 1987 parat:

„Nicht behindert zu sein ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jederzeit genommen werden kann.“

Michael Welsch
Landesbeauftragter

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